Insektensterben schreitet voran Bundesrat lässt Bienen trotz deutlicher Studienresultate im Stich

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Welchen Einfluss hat nicht-ionisierende Strahlung (NIS) – wie sie bei WLAN und Sendeanlagen für Mobilfunk auftritt –, auf Insekten und deren Verhalten? Eine Studie im Auftrag des Bundesamts für Umwelt (BAFU) bestätigt, was viele von Ihnen ahnen: Die für unser Ökosystem so wichtigen Krabbeltiere leiden darunter. Doch der Bundesrat sieht das anders: Auf eine Interpellation des Nationalrats Martin Haab antwortet unsere Regierung, der Einfluss von elektromagnetischer Strahlung auf das Insektensterben sei als gering einzustufen.

Es ist schon erstaunlich: Da gibt der Bundesrat der Universität Neuenburg eine Studie in Auftrag (Publikation August 2022), um die Frage zu klären, welchen Einfluss nicht-ionisierende Strahlung auf Insekten wie Ameisen, Bienen und Spinnen hat, und es scheint, als ob jene Erkenntnisse schon wieder in Vergessenheit geraten wären. Denn auf die Anfrage von Nationalrat Martin Haab, die am 1. März 2023 erfolgte, antwortet der Bund fünf Tage später besänftigend, es sei «wenig wahrscheinlich», dass ein Zusammenhang bestünde. Woran es tatsächlich liegt, dass Insektenpopulationen in der Schweiz in den letzten Jahrzehnten massiv abgenommen haben, ist in «erster Linie die Folge von Lebensraumverlust, Schadstoffen, intensiver Bewirtschaftung und Lichtverschmutzung». Sind also wieder einmal die Bauern schuld an der Misere?

«Der Einsatz von Herbiziden und anderen Pflanzenschutzmitteln ist stark reglementiert – ein Blick 20 Jahre zurück zeigt, wie viel ökologischer heute Schweizer Bauern ihre Betriebe führen», lässt Martin Haab verlautbaren. «Dass der Bundesrat die Studienergebnisse nach seinem Gusto interpretiert, hat mich nicht weiter überrascht», ergänzt Haab, den es ärgert, dass schon wieder die Landwirte den Kopf herhalten müssen. Die Leserschaft sei an die Trinkwasser- und Massentierhaltungsinitiative erinnert. Viel ehrlicher als a priori nicht-ionisierende Strahlung als einer von mehreren Gründen für den Insektenschwund auszuschliessen, wäre zu sagen, dass es eine schwierige Aufgabe ist, den Einfluss von Strahlung auf Insekten zu quantifizieren. Tatsächlich kommt die Naturschutzorganisation Pro Natura nach der Lektüre der Studie zu einem anderen Schluss: «Elektromagnetische Wellen sind für Insekten nicht harmlos. Dies muss bei der Weiterentwicklung unseres Strom- und Mobilfunknetzes berücksichtigt werden». Klare Worte, wozu es dem Bundesrat an Mut fehlt.

Blick auf eine Weltklasse-Studie

Die am 18. August 2022 publizierte Studie sucht seinesgleichen: Sie ist weltweit erst die zweite Übersichtsstudie, bei der die Autoren bereits verfasste Studien zum Einfluss von nicht-ionisierender Strahlung auf Insekten, in der Fachsprache Arthropoden genannt, zusammengetragen haben. Ein Novum dabei: Strenge wissenschaftliche Kriterien sorgten dafür, dass die einzelnen Studien einen hohen Standard erfüllen. So machten 127 Untersuchungen das Rennen. Davon berichtet die Mehrzahl über negative Auswirkungen auf Arthropoden, und zwar auf Sterblichkeit, Fortpflanzung und Schädigung der DNA, um nur einige der berücksichtigen Aspekte zu nennen. Eine der Studie fand beispielsweise bei Fliegen eine Verkürzung ihrer erwarteten Lebensdauer um ein Drittel, wenn sie für sechs Stunden 4G-Strahlung ausgesetzt wurden. NIS stört auch die Fortpflanzung der Tierchen: Eine geringere Schlupfrate und verringerte Körpermasse sind die Folgen oder eine substanzielle Verringerung der Eierstöcke – bereits deutlich unterhalb des erlaubten Grenzwertes für 5G zu beobachten. Die Autoren der Studie resümieren, dass «die Wirkung von NIS auf die Fortpflanzung ziemlich klar erwiesen ist […]». Und schliesslich wirkt sich NIS auch negativ auf die DNA aus – egal ob hohe oder niedrige Strahlenbelastung, die Effekte waren negativ, auch bereits bei langen Radiowellen, wie sie für die Übertragung von Radiosendungen gang und gäbe sind – seit Jahrzehnten.

Die Effekte auf Insekten sind durchs Band negativ – auch in den übrigen Dimensionen, die die Studie berücksichtigt hat. Der Streitpunkt bleibt, wie sehr die im Labor untersuchten Effekte auch auf reale Bedingungen übertragen werden können. Dazu bräuchte es Feldstudien, die aufwendig und teuer zu realisieren sind. Zudem lassen sich andere störende Faktoren wie Lichtverschmutzung und Schadstoffe nicht kontrollieren, was eindeutige Schlüsse erschwert.

Warnsignale ernst nehmen

Die Ergebnisse der Studie sind alarmierend, auch wenn Feldversuche rar sind – die Laborstudien zeichnen ein deutliches Bild: Insekten leiden unter der Strahlung; dass Populationen unter anderem deswegen schrumpfen, sollte ein ernst zu nehmender Verdacht sein. Bei menschlichen Verbrechen reichen Indizien aus, nicht aber beim politisch heissen Eisen Mobilfunkversorgung.

Deshalb braucht es Stimmen wie Schutz für Strahlung, die klar und deutlich davor warnen, planlos das 5G-Netz auszubauen. Dem Antennen-Wildwuchs ist ein Ende zu setzen! Wir fordern vom Bundesrat als Verordnungsgeber auch Grenzwerte für den Schutz von Tieren – insbesondere von Insekten –, damit wir auch noch in den nächsten fünfzig Jahren in einem intakten Ökosystem leben, das heute schon arg strapaziert ist. Unseren Nachkommen zuliebe und all dem, was kreucht und fleucht. Oder möchten Sie einmal Ihren Enkelkindern anhand eines Fotobandes erzählen, dass es Marienkäfer auch wirklich gab und sie uns Glück brachten? Lassen Sie es nicht soweit kommen und werden Sie heute aktiv! Auch Ihre Stimme zählt. Unterstützen Sie uns, indem auch Sie den Bundesrat oder das Bundesamt für Umwelt auffordern, die Resultate der Studie ernster zu nehmen, und die Insekten deutlich besser als heute vor Mobilfunkstrahlung zu schützen.

Für eine vertiefende Lektüre sei Ihnen der Artikel «Mobilfunkstrahlung kann Bienen schaden» empfohlen.

Mobilfunkstrahlung setzt Bienen, Ameisen und Co. zu!Medienmitteilung: «Übersichtsarbeit der Universität Neuenburg zeigt: Nicht-ionisierende Strahlung schädigt Insekten»

Zürich, 16. Januar 2023  Die Auswertung von 164 Studienergebnissen an Gliederfüsslern (v.a. Insekten) zeigt deutlich: Die schädliche Wirkung von nicht-ionisierender Strahlung auf Insekten gilt als nachgewiesen. Zur nicht-ionisierenden Strahlung gehören unter…

Medienmitteilung: «Übersichtsarbeit der Universität Neuenburg zeigt: Nicht-ionisierende Strahlung schädigt Insekten»

2 Kommentare zu diesem Beitrag

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  1. Es wäre gut, wenn Sie Ihren Mitglieder, Leserinnen und Leser mitteilten, an welche Adresse und zuständige Person die Aufforderung, die Studienresultate zu berücksichtigen, am besten gerichtet werden soll.

  2. die Antenne in Thalmatt, 3037 Herrenschwanden Gemeinde 3038 Kirchlindach wurde von der Bauverwaltung als kleine Bausache einfach durchgewunken, ohne Veröffentlichung der Sache!
    Die Person in der Bauverwaltung arbeitet seit dem ersten Mal 2023 nicht mehr bei uns!
    Eine Möglichkeit zur Einsprache war deshalb nicht gegeben!!