Nachhaltigkeit egal, Hauptsache billig und schnell Medienmitteilung: «Drei problematische Entscheide im Nationalrat»

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Drei wegweisende Entscheide im Nationalrat

Zürich, 18. Juni 2021 Am 17. Juni 2021 hat der Nationalrat über drei wegweisende Entscheide bezüglich Digitalisierung gefällt. Dabei legte er wenig Wert auf eine Nachhaltige Entwicklung.

Postulat «Hochbreitbandstrategie des Bundes» 21.3461

Im Verlauf des gestrigen Morgens nahm der Nationalrat das Postulat «Hochbreitbandstrategie des Bundes» ohne Diskussion und Gegenstimme an. In einzelnen Regionen der Schweiz ist die Internetverbindung langsam und ein Ausbau für die Datennetzbetreiber nicht rentabel. Der Bundesrat soll nun dem Parlament eine Strategie unterbreiten, damit eine effiziente und bedarfsgerechte Versorgung in allen Landesteilen gewährleistet werden kann. Es ist davon auszugehen, dass in dieser Strategie auch die Übertragungsart der Daten benannt wird.

Schutz vor Strahlung hält fest: Schon heute führen viele tausend Kilometer Glasfaserkabel von den Netzbetreibern bis zu Verteilerpunkten. An diesen kann z.B. eine Wohnung oder eine Mobilfunkanlage angeschlossen werden. Mobilfunksender überbrücken nur jeweils die letzten Meter zum Nutzer mit Funkstrahlung. Um Wände zu durchdringen strahlt die Antenne um ein Vielfaches stärker, als wenn sie einen Aussenbereich in gleicher Distanz versorgt. Es ist daher naheliegend, auch alle Wohnungen und Büros an das Glasfasernetz anzuschliessen. So können strahlungsintensive Mobilfunkübertragungen vermieden und das Mobilfunknetz entlastet werden.

Postulat «Digitalisierung und 5G im Einklang mit den Klimazielen» 19.4497

Gestern entschied der Nationalrat auch über das Postulat von Nationalrätin Munz, welches Entscheidungsgrundlagen für eine nachhaltige Digital- und 5G-Infrastruktur forderte. Es verlangte vom Bundesrat einen Bericht über die Auswirkungen der digitalen Agenda auf die Klimaziele unter Einbezug von 5G. Schutz vor Strahlung ist überzeugt, dass dieser Frage ein grosses Gewicht beigemessen werden muss, damit die Schweiz langfristig wettbewerbsfähig bleibt. Der Vorstoss wurde von Nationalrat Wasserfallen allerdings erfolgreich bekämpft. Er machte unter anderem geltend, dass dieses Postulat überflüssig sei und verwies auf die Strategie Digitale Schweiz und die bessere Energieeffizienz von 5G gegenüber 4G. Doch die Strategie Digitale Schweiz enthält noch keine vertieften Abklärungen zu den Auswirkungen von Dateninfrastruktur und Übertragungsart auf das Erreichen der Klimaziele. Sogar die Swisscom weist in ihrer neusten Werbekampagne auf die Klimabelastung durch Streaming hin. Sie rät, wann immer möglich Kabel oder WLAN statt Mobilfunk zu nutzen. Und auch das Forschungsprojekt «Green Cloud Computing» 2020, UBA, hält fest, dass 5G zehn Mal mehr Energie als Glasfaser benötigt. Es ist also ein Muss, eine Strategie für unsere Schweizer Dateninfrastruktur zu entwickeln, damit die meisten Datenverbindungen über Kabel oder nur im Hausinnern über Funk geschehen.

Motion «Rahmenbedingungen für einen raschen Aufbau schaffen» 20.3237

Die gestern angenommene, von Teilen der Bevölkerung und mobilfunkkritischen Organisationen bekämpften Motion der FDP-Fraktion/Wasserfallen verlangt vom Bundesrat Entscheidungen, um die Einführung der 5. Mobilfunkgeneration zu ermöglichen und skizziert Ziele. Sowohl die Motion selber als auch das Votum des Motionärs enthalten zahlreiche Widersprüche. So verlangt die Motion die Einführung von 5G, obwohl 5G zum Zeitpunkt der Einreichung der Motion längst eingeführt war. Die Swisscom warb mit einer 90%-Abdeckung der Schweiz. Der Vorstoss fordert weiter deren Umsetzung innerhalb von 5 Jahren, respektive bis 2024.

Nationalrat Wasserfallen erwartet bei Annahme der Motion eine Grenzwertlockerung und betont, auch eine Strahlenbelastung von 50 V/m sei undenklich. Nationalrätin Schlatter entgegnete, dass die neusten Erkenntnisse auf schädliche Auswirkungen durch oxidativen Stress hinweisen. Mitglieder der Expertengruppe des Bundes (BERENIS) erwarten tatsächlich Gesundheitseffekte und zwar bereits im Bereich der heutigen Grenzwerte. Mit einer Lockerung würden also bewusst Schäden an der Bevölkerung in Kauf genommen!

Widersprüchlich ist auch die Haltung des Bundesrats: Er empfahl die Motion anzunehmen, will aber dennoch explizit an den heutigen Grenzwerte festhalten. Die Bundesrätin Simonetta Sommaruga betonte in der Debatte, eine Grenzwertlockerung sei nicht vorgesehen und hielt weiter fest, dass man nun in der Bevölkerung und bei den Behörden Vertrauen schaffen müsse. Es bleibt unklar, wie der Bundesrat dieser Motion gerecht werden will. Nun wird als nächstes der Ständerat über die Motion befinden.

Nachdem der Rat das Postulat Munz versenkt hat – und ohne den in Arbeit befindenden Bericht «Nachhaltiges Mobilfunknetz» abzuwarten (Postulat Häberli, 2019) – stimmten die Parlamentarier*innen mit 97 zu 75, bei 18 Enthaltungen, einem übereilten und billigen Ausbau von 5G, statt einer nachhaltigen Infrastruktur, zu.

Es gibt gute Lösungen für eine nachhaltige Dateninfrastruktur-Entwicklung

Der Verein Schutz vor Strahlung fordert eine nachhaltige Digitalisierung. Nachhaltig im Sinn des sparsamen Umgangs mit Energie, aber auch nachhaltig im Sinn einer guten Vorsorge, um eine spätere Wiedergutmachung von vermeidbaren Schäden durch Strahlung zu verhindern.

Für die Übertragungsart von Daten bedeutet das: Die effizienteste und strahlenärmste Datenübertragung geschieht, wenn die Daten soweit als möglich über Glasfaserkabel bis zum Endgerät transportiert werden, wie jüngste Studien aus Deutschland zeigen. Erst die letzten Meter sollen, wenn überhaupt nötig, mit Kupferkabel oder Funkstrecke überbrückt werden. Denn wenn Strahlung Wände und Decken, wie auch Fahrzeughüllen durchdringt, wird viel Energie verschwendet, ganz besonders bei den hohen 5G-Frequenzen. Die heutige Mobilfunkinfrastruktur, welche auch Innenräume mit grossen Sendern versorgt, ist ein Auslaufmodell.

Übrigens: Jede leistungsfähige 5G-Antenne benötigt einen Glasfaseranschluss. Es ist daher sinnvoller, das Glasfaserkabel direkt in die Wohnungen zu verlegen, als die letzten Meter mit energieintensiven Funkverbindungen zu überbrücken. Der Verein Schutz vor Strahlung unterstützt den Ausbau der Glasfaser bis in die Wohnungen oder Büros hinein, sowie eine konsequente Trennung der Aussen- und Innenversorgung.

Billige Lösungen kommen schlussendlich oft teuer zu stehen. Nun ist es am Ständerat, diesen nicht nachhaltigen Weg zu korrigieren und die Motion Wasserfallen entschieden abzulehnen.

Medienkontakt Verein Schutz vor Strahlung
Rebekka Meier, Präsidentin und Leiterin der Baurechtsabteilung
rebekka.meier@schutz-vor-strahlung.ch
032 652 61 61

Unsere Forderungen zum Mobilfunkausbau

Glasfaser für die Gemeinde

Breitbandnetze (Glasfaser) als Eigenwirtschaftsbetrieb müssen als Teil der gemeindeeigenen Infrastruktur betrieben werden. Keine Vergabe von Infrastrukturprojekten an ein Monopol. Glasfasernetze sind die Grundlage zur Umsetzung einer strahlungsarmen Mobilfunkversorgung.

Trennung Indoor- und Outdoor-Versorgung

Die Grundlage jeder Planung von Mobilfunk muss die Trennung der Indoor- und Outdoor-Versorgung zum Schutz der Wohnung vor Strahlung sein. Neue Technik muss nachweisbar zu weniger Elektrosmog führen.

Raumplanung durch Gemeinden

Die Gemeinden müssen den Ausbau des Mobilfunknetzes in ihrer Raumplanung festschreiben und bei diesem Prozess die Bevölkerung ernsthaft miteinbeziehen.

Gemeinsame Antennennutzung

Die Mobilfunkbetreiber müssen Sendemasten gemeinsam nutzen und die zur Verfügung stehenden Sendeleistungen miteinander teilen.

Technikfolgenabschätzung

Unabhängige Technikfolgenabschätzung ist Pflicht. Sie muss durch eine industrie- und regierungsunabhängige Kommission unter Beteiligung von Schutzverbänden und unabhängigen Vertretern des Gesundheitswesens erfolgen. Ohne Bewertung der Forschungsergebnisse über die Wirkungen der 5G-Frequenzen auf Mensch, Tier und Natur darf 5G nicht eingeführt werden.

Beweislastumkehr

Industrie und Staat müssen die Gesundheitsverträglichkeit der Mobilfunkstrahlung belegen.

Haftung

Die Mobilfunkbetreiber selbst müssen die Haftung für allfällige Gesundheitsschäden übernehmen, die durch den Betrieb ihrer Sendemasten hervorgerufen werden.

Umweltschutz

Umweltschutz ist Pflicht, der Bund muss über den Netzausbau ein Gutachten zum ökologischen Fußabdruck vorlegen.

Datenschutz

Das Recht, analog leben zu können, ohne digitale Überwachung, ist ein Grundrecht. Die Datenerfassung darf nur mit ausdrücklicher Zustimmung jedes Bürgers erfolgen. Von Jugendlichen unter 16 Jahren dürfen keine Daten erfasst werden.

Weisse Zonen

Erhalt und Schaffung von funkfreien Gebieten für elektrosensible Menschen.

Verein Schutz vor Strahlung

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