Fachartikel vom Gesundheitstipp Juni 2019 Ein Experte im Dienst der Mobilfunkfirmen

in 5G, Mobilfunk, Politik, Schweiz, Studien

Martin Röösli ist in der Schweiz DER Fachmann, wenn es um Forschung und Aussagen zu Gesundheitsaspekten im Zusammenhang mit Mobilfunk geht. In fast sämtlichen Zeitungsartikeln wird er als Experte angefragt, meist ohne Gegendarstellung, so als ob Martin Röösli als unabhängiger Experte zu taxieren sei. Diesen Hintergrund hat der Gesundheitstipp auf eindrückliche Weise recherchiert und unter dem Titel «Ein Experte im Dienst der Mobilfunkfirmen» kürzlich veröffentlicht. Wir machen diese Recherche nun auf unserer Website für Sie zugänglich.

Martin Röösli leitet unter anderem auch die BERENIS, die in Sachen Mobilfunk für das BAFU Beratende Expertengruppe NIS. Lesen Sie den wertvollen Beitrag in voller Länge hier unter Schutz-vor-Strahlung.ch.

Ein Experte im Dienst der Mobilfunkfirmen
5G-Handynetz: Der Umweltforscher Martin Röösli spielt in den Medien die Risiken herunter

Der Basler Martin Röösli verkündet in Zeitungen und Fernsehsendungen die immer gleiche Botschaft: Elektrosmog sei unschädlich. Fachleute kritisieren, er sei von der Mobilfunkindustrie abhängig.

Wenn es um Elektrosmog geht, tritt Martin Röösli in den Medien oft als Experte auf. Er ist Umweltforscher am Tropen- und Public-Health-Institut in Basel. Am 8. März nahm er zum Beispiel an der Diskussionssendung «Arena» des Schweizer Fernsehens teil. Der Moderator fragte: «Sind die Strahlen gefährlich oder nicht?» Röösli erklärte, es gebe keine ein- deutigen Beweise, dass Handystrahlen Krebs auslösen. Und am 14. April schrieb die «Sonntagszeitung» über 5G. Der Journalist befragte ausschliesslich Röösli und nannte ihn «einen der wichtigsten unabhängigen Experten auf dem Gebiet Mobilfunk». Auch hier verharmloste Röösli: «Grosse gesundheitliche Risiken hätte man längst gefunden.»

Finanziert von Sunrise und Swisscom

Doch Fachleute kritisieren, Martin Röösli sei kein unabhängiger Experte. Er war bis vor kurzem Stiftungsrat der Forschungsstiftung für Strom und Mobilfunkkommunikation in Zürich. Martin Zahnd vom Dachverband Elektrosmog sagt: «Diese Stiftung leugnet systematisch die Risiken von Strahlung.» Das überrascht nicht: Zu den Hauptsponsoren zählen die Mobilfunkfirmen Sunrise und Swisscom. Niggi Polt, Co-Präsident der Organisation Diagnose-Funk, sagt: «Diese Tätigkeit zeigt, dass Röösli der Mobilfunkindustrie zudient.» Er erhielt von dieser Stiftung auch regelmässig Forschungsaufträge.

Seit 2016 ist Röösli zudem Mitglied der Internationalen Kommission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung (ICNIRP). Die Vereinigung von 13 Wissenschaftern beurteilt, wie sich elektromagnetische Wellen auf die Gesundheit auswirken. Ihr Einfluss ist gross: Die Weltgesundheitsorganisation folgt ihren Empfehlungen, wenn es um die Grenzwerte geht.

Niggi Polt sagt: «Die Vereinigung ist der Industrie verpflichtet.» Sie anerkenne zwar, dass Strahlen das Gewebe erwärmen können – aber nicht, dass Strahlen für die Gesundheit schädlich sind. Peter Kälin, Präsident der Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz, sieht dies anders. Zahlreiche Studien hätten gezeigt, dass Menschen unter der Strahlung leiden, selbst wenn die Grenzwerte unterschritten wurden. Der Elektrosmogexperte Peter Schlegel aus Esslingen ZH sagt: «Die ICNIRP sorgt für Strahlungsgrenzwerte, die nicht die Bevölkerung schützen, sondern der Mobilfunkindustrie dienen.» Eine Umfrage des Gesundheitstipp zeigt: Viele Leute machen sich Sorgen (siehe Kasten).

Auch Rööslis Forschungsarbeiten sind umstritten: Bereits 2006 arbeitete er an einer Studie mit, die den Einfluss einer Mobilfunkstation auf die Gesundheit untersuchte. Die Forscher testeten die Strahlen je 45 Minuten lang an insgesamt 120 Personen. Das Resultat: Mobilfunkstrahlen würden das Wohlbefinden nicht beeinflussen. Drei Bundesämter griffen die Studie auf und teilten den Medien mit: «Keine Auswirkungen kurzfristiger Mobilfunkstrahlen aufs Wohlbefinden.» Pikant: Die Studie wurde von Swisscom und Orange (heute Salt) mitfinanziert. Was die Studie verschwieg: Einige Teilnehmer spürten sehr wohl gesundheitliche Folgen. So berichtete Armin Furrer aus Ausserberg VS im «K-Tipp» (12/2006): «Mir war nachher stundenlang schlecht.» Ein anderer Teilnehmer klagte über Migräne und Zahnschmerzen. Bereits früher kam eine holländische Studie zum Schluss, dass Mobilfunkstrahlen das Wohlbefinden negativ beeinflussen. Die Teilnehmer litten nach den Bestrahlungen zum Beispiel vermehrt unter Ängsten.

Martin Röösli: Seine Forschungsarbeiten zu Mobilfunkstrahlen sind umstritten
Gesundheitstipp «Ein Experte im Dienst der Mobilfunkfirmen»
Originalbeitrag im Gesundheitstipp Juni 2019

Fachleute werfen Röösli vor, er nehme Leute, die unter den Strahlen leiden, nicht ernst. Schlegel berät seit 20 Jahren Menschen, die unter Elektrosmog leiden. «Das riesige Erfahrungswissen über die Auswirkungen interessiert Martin Röösli nicht», sagt er.

Röösli schreibt dem Gesundheitstipp, die Industrie beeinflusse nicht die Auswahl der Projekte bei der Forschungsstiftung für Strom und Mobilfunkkommunikation. Der wissenschaftliche Ausschuss, der die Forschungsprojekte auswählt, sei unabhängig. Es stimme nicht, dass die Stiftung systematisch das Risiko von Strahlen leugne.

Er sagt zudem, die ICNIRP habe keine Verbindung zur Industrie. Dies werde explizit geprüft. «Die Kommissionsmitglieder werden aufgrund ihres wissenschaftlichen Leistungsnachweises ausgewählt.» Laut Röösli gibt es «keine wissenschaftlich gut gemachte Studie», die Symptome bei Strahlung weit unter den Grenzwerten nachweise. «Wenn Effekte gefunden wurden, war die Exposition typischerweise viel höher als die Grenzwerte für Antennen.» Elektrosensible Personen nehme er ernst. Mit Betroffenen habe er mehrfach Tests oder Messungen durchgeführt. «Ich war auch an mehreren Forschungsprojekten mit Elektrosensiblen beteiligt.»

Zur Studie von 2006 räumt Röösli ein, dass wenige Personen über Symptome berichteten. «Das war aber unter Scheinbestrahlung genau so häufig der Fall wie unter richtiger Bestrahlung.»

Einige Kantone wollen 5G-Ausbau aussetzen

Zurzeit setzen sich mehrere Kantone gegen das Handynetz 5G zur Wehr (Gesundheitstipp 5/2019). Die Betreiber sollen keine Antennen bauen dürfen, bis man weiss, wie die Strahlen wirken. Voraussichtlich im Juli veröffentlicht eine von Ex-Bundesrätin Doris Leuthard eingesetzte Arbeitsgruppe dazu einen Bericht. Darin sitzen Vertreter der Mobilfunkindustrie – und Martin Röösli. Die Chancen für einen Aufschub von 5G stehen schlecht.

Katharina Baumann

Umfrage: Macht Ihnen 5G Sorgen?

Ursula Weber, 58, Uznach SG

«Ja. Die Strahlen belasten die Menschen und die Um­ welt. Wir sind ihnen machtlos ausgeliefert. Ausserdem ist 5G überflüssig. Das jetzige Funknetz reicht meiner Meinung nach völlig aus.»

Daniele Berscheid, 34, Zürich

«Nein. 5G gehört zur Globa­ lisierung und zum Fortschritt. Es ist für mich selbstverständ­ lich, dass es die Technologie in der Schweiz gibt. Für die Wirtschaft wäre es schädlich, wenn wir kein 5G­Netz hätten.»

Gail Brukman, 66, Capetown (Südafrika)

«Ja. 5G belastet uns mit noch mehr Strahlen. Niemand weiss, wie sich diese auf die Gesundheit auswirken. In meiner Heimat Südafrika gibt es noch kein 5G. Ich habe hier erstmals davon gehört und bin beunruhigt.»

2 Kommentare zu diesem Beitrag

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  1. Pingback: Öffentliche Medien (Mobilfunk/ EHS) | Elektrosensibilität
  2. Leider macht der Artikel des Gesundheitstipps über mich unzutreffende und falsche Aussagen. Ich stand nie im Dienst der Mobilfunkfirmen und habe auch keine Forschungsaufträge für die Forschungsstiftung Strom und Mobilkommunikation (FSM) ausgeführt. Meine Forschung ist ausschliesslich über öffentliche Gelder oder gemeinnützige Stiftungen finanziert.
    Es ist paradox. Alle wollen mehr unabhängige Forschung zum Thema elektromagnetische Felder (EMF). Aber wenn sich unabhängige Forscher zur Verfügung stellen, darüber zu wachen, dass Gelder der Industrie wirklich unabhängig eingesetzt werden, werden sie diffamiert. Was ist die Alternative? Sollen etwa die Steuerzahlenden für die EMF Risikoforschung zahlen und die Mobilfunkindustrie streicht die Gewinne ein? Das kann es doch nicht sein. Darum werde ich mich auch weiterhin dafür einsetzen, dass die Industrie ihren Beitrag zur EMF-Risikoforschung leistet und kritisch beobachten, dass diese Gelder dann auch tatsächlich für unabhängige Forschung verwendet werden.
    In der FSM sind Finanzierung und Vergabe von Projekten gemäss einem international anerkannten Vorgehen strikt voneinander getrennt. Gelder werden über kompetitive, öffentliche Ausschreibungen vergeben. Die FSM macht jedes Jahr eine öffentliche Ausschreibung und jede Forschungsgruppe kann sich bewerben. Der wissenschaftliche Ausschuss wählt das beste vorgeschlagene Projekt aus. Der wissenschaftliche Ausschuss besteht nur aus unabhängigen Forschern (https://www.emf.ethz.ch/de/stiftung/organisation/). Die Industrie hat keine Mitsprache bei der Ausschreibung und bei der Auswahl der Forschungsprojekte. Damit ein solches Modell funktioniert, ist es wichtig, dass sich unabhängige Forscher zur Verfügung stellen.
    Ich habe in den letzten 10 Jahren zwei Mal eine Projektfinanzierung von der FSM erhalten. Dabei ging es nur um Expositionsanalysen und Messungen und nicht um Gesundheitseffekte. Diese Gelder machen weniger als 2% des Forschungsbudgets meiner Arbeitsgruppe aus. Für das Stiftungsratmandat habe ich keine Entschädigung oder Sitzungsgelder erhalten.
    Es ist auch nicht wahr, dass Forschungsprojekte der Stiftung systematisch das Risiko von Mobilfunkstrahlung leugnet. Es gibt einige Publikationen von Projekten der FSM, welche auch biologische Effekte zeigen, und welche in der internationalen Forschung eine grosse Bedeutung haben:
    Mattsson, M-O., Zeni, O., Simkó, M. (2018). Is there a Biological Basis for Therapeutic Applications of Millimetre Waves and THz Waves? J Infrared Milli Terahz Waves, doi.org/10.1007/s10762-018-0483-5.
    Lustenberger, C., Murbach, M., Tüshaus, L., Wehrle, F., Kuster, N., Achermann, P., and Huber, R. (2015). Inter-individual and Intra-individual Variation of the Effects of Pulsed RFEMF Exposure on the Human Sleep EEG, Bioelectromagnetics 36, 3, 169-177.
    Lustenberger C., Murbach M., Dürr R., Schmid M.R., Kuster N., Achermann P., Huber R. (2013). Stimulation of the brain with radiofrequency electromagnetic field pulses affects sleep-dependent performance improvement. Brain Stimulation 6 (2013) 805-811
    Auch wenn es immer wieder behauptet wird, es ist auch nicht wahr, dass die ICNIRP (International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection) Verbindungen mit der Industrie hat. Um die Unabhängigkeit der Forschungsprojekte der ICNIRP zu gewährleisten, nimmt die Vereinigung nur Spenden von Privatpersonen oder von Unternehmen entgegen, die in keiner Weise im Bereich der nichtionisierenden Strahlung tätig sind. Die Geldgeber von ICNIRP sind in erster Linie das Deutsche Bundesministerium und die Europäische Union. Im geringeren Umfang erhält ICNIRP zudem jährliche Zuwendungen von anderen staatlichen Umweltbehörden und der Internationalen Gesellschaft für Strahlenschutz (IRPA). Man kann das alles auf der Webseite von ICNIRP nachlesen (https://www.icnirp.org/en/about-icnirp/funding-governance/index.html).
    Auch bei den Kommissionsmitgliedern von ICNIRP wird explizit geprüft, dass keine finanziellen Abhängigkeiten und sonstige Verbindungen zur Industrie bestehen. Alle Kommissionsmitglieder deklarieren potentielle Interessen und diese sind öffentlich einsehbar (https://www.icnirp.org/en/about-icnirp/commission/index.html). Diese Deklarationen werden regelmässig aktualisiert.
    Die ICNIRP arbeitet eng mit der Weltgesundheitsorganisation WHO zusammen. Das Sekretariat ist beim Deutschen Bundesamt für Strahlenschutz angesiedelt. Die Kommissionmitglieder der ICNIRP werden aufgrund ihres wissenschaftlichen Leistungsnachweises in der Forschung ausgewählt und von der Kommission gewählt. Dabei wird auf angemessen geographische und Geschlechterverteilung und natürlich Fachexpertise geachtet. Dies ist ein übliches Vorgehen bei solchen wissenschaftlichen Gremien. Die Mitglieder von ICNIRP erhalten keine Entschädigung für ihre Tätigkeit.