Gemeinden sind nicht ausgenommen Die Haftung beim Mobilfunk
in Gesundheit, Mobilfunk, Politik, Schweiz
Bis heute hat noch niemand einen Mobilfunkhaftungs-Fall vor Gericht gebracht, weshalb noch kein Grundsatzurteil vorliegt. Dennoch lässt das Gesetz eine Einschätzung zur Haftungsfrage zu. Zum einen sind bei Gesundheitsschäden Grundeigentümer, zum anderen Betreiberinnen von Mobilfunkanlagen haftbar. Aber auch die Gemeinden stehen selbstverständlich in der Pflicht.
Hinweis:
Diese Einschätzung verfasste die Autorin basierend auf ihren aktuellen Kenntnisstand der Rechtslage. Ihre Meinung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sollte ein Verfahren im Zusammenhang mit einem durch eine Mobilfunkanlage erlittenen Schaden in Betracht gezogen werden, ist eine professionelle juristische Beratung unumgänglich.
Haftbarkeit in der Schweiz
In der Schweiz regeln das Schweizerische Obligationenrecht (OR) und das Zivilgesetzbuch (ZGB) Fragen zur Haftung. Man unterscheidet grundsätzlich zwei Haftungsarten:
- Verschuldenshaftung
Das Schweizer Recht ist vom sogenannten Verschuldensprinzip geprägt. Dieses sieht vor, dass derjenige haftet, der einem anderen widerrechtlich und schuldhaft einen Schaden zufügt. Eine Haftung besteht somit im Grunde nur dann, wenn eine Person selbst vorsätzlich (bewusst und gewollt) oder fahrlässig (unabsichtlich wegen einer Nachlässigkeit) einen Schaden verursacht.Beispiel: Eine Person verursacht mit schlechten Absichten oder weil sie zu viel getrunken hat einen Schaden, indem sie jemandem mit dem Fahrrad umfährt. - Kausalhaftung
Sie besteht unabhängig davon, ob die Person den Schaden selber verusacht oder ob ihn jemand anderes verursacht. Entscheidend ist, dass der Schaden von einem Grundstück, Bauwerk oder Gegenstand her kommt, das der Person gehört. In der Rechtssprache spricht man von einer rechtlichen Beziehung zwischen dem Schaden um dem Ersatzpflichtigen. Damit gilt sie etwa für Grundeigentümer oder für Werkeigentümer, wozu auch die Betreiberinnen von Mobilfunkantennen zählen.Beispiel: Wenn jemand auf dem Eis eines Grundstückes ausrutscht und sich dabei ein Bein bricht, haftet der Grundstückeigentümer für den Schaden. Ebenso wenn, wenn ein Nachbar wegen einer schlecht gewarteten Lüftungsanlage einen Hörschaden davon trägt.
Im Folgenden gehen wir der Frage nach, wer für gesundheitliche Schäden eines einzelnen durch Mobilfunkstrahlung geschädigten Menschen aufkommen muss.
Wer haftet?
Die Krux bei Haftungsfällen liegt in der Regel darin, dass der Geschädigte den Schaden nachweisen muss. Angenommen, dieser Beweis gelingt, wer kommt nun also heutzutage für den Schaden auf?
In erster Linie sind das wie aufgezeigt der Werkeigentümer, also der Mobilfunkbetreiber, sowie der Grundeigentümer. In zweiter Linie stehen auch die Baubewilligungsbehörden, die Antennenproduzenten sowie die Antennenmonteure in der Pflicht, sofern sie sich absichtlich oder aus Versehen einen Fehler gemacht haben.
Der Grundeigentümer haftet mit
Auch der Grundeigentümer steht aufgrund seiner Kausalhaftung in der Pflicht. Er ist mitverantwortlich dafür, dass von seinem Grundstück keine Gefahr ausgeht, wie das Beispiel vom Unfall auf dem Eis aufzeigt. Selbst wenn der Grundeigner die Strahlung nicht selber verursacht, ist er in aller Regel – allerdings wiederum nur bei vorsätzlichem oder fahrlässiger Fehlbarkeit – haftbar.
Um Grundeigentümer hier aus der «Schusslinie» zu nehmen sichern die Mobilfunkbetreiber diesen oft zu, sie «schadlos» zu halten. Selbst wenn der Grundeigentümer also zur Leistung von Schadenersatz verurteilt würde, müsste er nicht bezahlen. Die Rechnung mit den Gerichts- und Anwaltskosten trüge in diesem Fall die Mobilfunkbetreiberin.
Antennenbetreiberin haftet
Mobilfunkbetreiber haften, wenn es wegen ihnen zu einer Grenzwertüberschreitung kommt und Schäden auftreten. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn sie stärker als bewilligt senden, oder ein nahes Gebäude nicht berücksichtigen. Die drei grossen Mobilfunkbetreiberinnen sind also grundsätzlich haftbar, falls Ihnen ein Verschulden zugeschrieben werden kann.
Doch wie sieht es aus, wenn die Grenzwerte eingehalten werden, und trotzdem ein Schaden eintritt? Auch hier steht die Betreiberin einer Anlage aufgrund der erwähnten Kausalhaftung in der Pflicht.
Einige Verträge mit Grundeigentümern von Antennenstandorten halten denn auch ausdrücklich fest, dass die Betreiberin für vorsätzliche und grobfahrlässig verursachte Schäden die Haftung übernimmt.
Grobfahrlässigkeit setzt voraus, dass jemand seine Sorgfaltspflichten so grob verletzt hat, dass man sagen würde: «So etwas hätte nicht passieren dürfen!»
Die Mobilfunkbetreiber sind jedoch bei mittlerer oder leichter Fahrlässigkeit aus dem Schneider, also bei leichten Sorgfaltspflichtverletzungen, bei denen man sagen würde: «So etwas kann einmal passieren».
Gemeinde steht in der Pflicht
Zum Schluss schauen wir uns noch an, inwieweit die Baubewilligungs- und Baupolizeibehörden haftbar sind.
Hinter Nichtwissen können sich Behörden kaum mehr verstecken, werden die bewilligenden Behörden doch unterdessen durch die Bevölkerung und durch Einsprecher systematisch informiert über mögliche Gesundheitsschäden durch Mobilfunkanlagen, die selbst bei Einhaltung der Anlagegrenzwerte auftreten können. Trotz dieses Wissens bewilligen jedoch etliche Gemeinden weiterhin Baugesuche für Mobilfunkanlagen.
Haftbar werden Gemeindebehörden hierbei aufgrund der Verschuldenshaftung. Danach haftet ein Verursacher eben für Schäden, die er zu vertreten hat, weil er seine Sorgfaltspflichten verletzt. Hätte eine Gemeinde vor der Bewilligung einer Anlage die nachteiligen Auswirkungen des Mobilfunks sorgfältig geprüft, hätte sie diese nicht bewilligen dürfen.
Viele Behörden weisen die Verantwortung jedoch von sich nach dem Motto: «Solange die Grenzwerte eingehalten werden, sind wir aus dem Schneider.» Dass sie es sich damit zu einfach machen, zeigt die traurige Geschichte der Asbestopfer auf. Diese konnten nachträglich erfolgreich Schadenersatz geltend machen, obschon der Einsatz von Asbest ausdrücklich erlaubt war, damals, als der Schaden seinen Anfang nahm.
Dasselbe trifft auch auf Mobilfunkanlagen zu: Heutzutage sind Strahlenbelastungen erlaubt, die erwiesenermassen schädlich sein können.
«Zusammenfassend haften für Mobilfunkschäden sowohl Grundeigentümer, Betreiberinnen von Mobilfunkantennen wie auch Gemeindebehörden.»
Versicherungen drücken sich
Interessant in diesem Zusammenhang ist ja auch, dass Versicherunsunternehmen das Versichern des Risikos des Mobilfunks konsequent ablehnen. Denn Versicherer stuften durch elektromagnetische Felder verursachte Schäden als sogenanntes Grossrisiko ein. Sie befürchten, dass Mobilfunkstrahlung zu Gesundheitsschäden führen könnte oder zu finanziellen Verlusten für Betreiber, Zuliefererfirmen und Grundeigentümer, wenn etwa die Grenzwerte angepasst oder die Rechtsprechung ändern würde. Deshalb verhalten sie sich äusserst zurückhaltend und wenden verschiedene Kniffs und Tricks an, um Haftungsansprüche zu verhindern. Sicher spielt auch mit rein, dass das Risiko nur äusserst schwer kalkulierbar ist.
Wie weiter?
Sollte demnächst ein Mobilfunk-Haftungsfall vor Gericht landen, wird sich auch die Schweizer Justiz mit dem Thema befassen müssen – es sei denn, die Initiative kommt vor dem Gerichtsurteil zustande und die entsprechende Gesetzgebung tritt vorher in Kraft.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass es dringend notwendig ist, beim der Frage der Haftbarkeit für Mobilfunkschäden Klarheit zu schaffen.
Der Verein Schutz vor Strahlung bleibt deshalb für Sie an diesen Fragen dran und begleitet künftige Mobilfunkhaftungs-Verfahren nah, um Sie darüber auf dem Laufenden zu halten.
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Ein Kommentar zu diesem Beitrag
Interessante Zusammenhänge! Inwiefern tragen die kantonalen NIS-Fachstellen sowie die kantonalen Umweltämter eine finanzielle Verantwortung mit, wenn das sogenannte „Standortdatenblatt“ falsche Angaben enthält und/oder wichtige Informationen weglässt (zB. OMEN)?