Ein doppelter Erfolg «Bagatellverfahren» & «Bagatellbewilligungen» jetzt definitiv aufgehoben

in 5G, Mobilfunk

Grenzwert für 5G-Antennen aufgeweicht

BPUK-Präsident Jean-François Steiert teilte dem Verein Schutz vor Strahlung schriftlich mit: Die Konferenz der Kantone hat am 6. März 2025 die Bagatell-Empfehlungen aufgehoben! Bis anhin hatten die Mobilfunkbetreiber zahlreiche Änderungen an Mobilfunkanlagen als «Bagatellen» bezeichnet und diese ohne Bewilligung ausgeführt. Neu benötigen Änderungen, die zu einer Erhöhung der Strahlung führen könnten, eine Baubewilligung. Die Betroffenen haben nun ein Recht auf Einsprache sowie Kontrolle und Messung der Strahlung. Dies ist ein bedeutender Meilenstein im Kampf um die Rechte der Anwohner von Mobilfunkanlagen! Diese Wende verdanken wir mehreren Urteilen des Bundesgerichts: Es hat diese Änderungen als baubewilligungspflichtig erklärt und in einem Fall sogar eine bereits erteilte Bagatell-«Bewilligung» aufgehoben. Dieser Entscheid gilt nun auch für alle anderen rund 8’000 «Bagatellbewilligungen».

Unzulässige «Bagatellverfahren»

«Bagatellverfahren» sind im Gesetz nicht vorgesehen. Dennoch werden sie in seltenen Fällen wie z.B. bei Gesuchen für Reklametafeln angewandt. Damit Umbauten und Erweiterungen von Mobilfunkanlagen schnell realisiert werden konnten, drängten die Mobilfunkbetreiber 2013 auf ein vereinfachtes Vorgehen. Sie waren überzeugt, dass die Strahlung bei Umbauten gleichbleibt und suchten dies mit selber angefertigten Prognosen zu «beweisen». Bei zahlreichen «Bewilligungsverfahren» wurden daher öffentliche Information, Kontrolle und Einspracherechte der betroffenen Anwohner ausdrücklich ausgeschlossen und lediglich ein «Bagatellverfahren» durchgeführt. Diese Regelung verletzte eines der wichtigsten Grundrechte unseres Rechtstaates: den Anspruch auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 Bundesverfassung! Der Trick war, dass die Mobilfunkbetreiber Änderungen an Mobilfunkanlagen als blosse «Bagatelle» bezeichneten und bei den Kantonen dann eine informelle «Bagatellbewilligung» beantragten. Im Idealfall informierten die Kantone noch die Bauaufsichtsbehörde über den Entscheid. Das Problem dabei: Den Beteuerungen der Betreiber zum Trotz bestand stets das Risiko einer Strahlungszunahme in Wohnungen und an Arbeitsplätzen.

Das Problem bei Bagatelländerungen

Nach «Bagatell-Umbauten» kam es regelmässig vor, dass die neuen Antennen stärker in die Breite strahlten als bisher. Dadurch wurden einige Orte stark belastet, teilweise über die Grenzwerte. Anders als das Wort «Bagatelle» vermuten lässt, waren «Bagatelländerungen» zumeist ein Totalumbau der Mobilfunkanlage. So wurden sämtliche Antennen durch neue, grössere und weit abstehende Modelle ersetzt. Eine kantonale Fachstelle überprüfte vor dem Umbau die Strahlungsprognose. Doch eine Auswertung der Messprotokolle der ordentlich bewilligten Antennen zeigt, dass jede fünfte Antenne nach dem Umbau zu mehr Strahlung führt als in der Prognose angegeben. Bis zu 43 % der Antennen wurden am Mast falsch installiert. Bagatellverfahren sehen keine Kontrolle oder Messung vor. So sind viele Unregelmässigkeiten bis heute unentdeckt geblieben. Das Qualitätssicherungssystem, das den laufenden Betrieb überwachen sollte, hat ebenfalls versagt. Ein erheblicher Teil der Anlagen strahlt deshalb seit Jahren viel zu stark und überschreitet die Grenzwerte.

Zur Belastung durch Strahlung kommen Beeinträchtigungen des Ortsbilds. Mit der Vergrösserung von Antennen vergrösserte sich auch deren Volumen um bis zu 500%. So konnte aus einem filigranen Mast ein auffälliger Sender werden, der nun die Landschaft dominiert. Auch solch rechtswidrige Vergrösserungen von Antennen wurden weder kontrolliert noch geahndet.

Das führte zu einer jahrelangen Ungleichbehandlung. Private müssen für ein Dachfenster bereits ein Baugesuch einreichen, während Mobilfunkbetreiber bisher viel grössere Umbauten ohne öffentliche Publikation und Einsprachemöglichkeit durchführen konnten.

Die Gründe für die Abschaffung von «Bagatellverfahren»

Mehrere Bundesgerichtsurteile aus dem Jahr 2024 sowie die Einführung von 5G sind Auslöser für die Abschaffung der Bagatellverfahren und anderer Meldeverfahren. Seit 2019 ist aus den Baugesuchen immer weniger erkennbar, wie stark die Antennen strahlen. Mit verschiedenen verdeckten Methoden liessen sich die Betreiber im «Bagatellverfahren» eine Erhöhung der Sendeleistung bis um den Faktor 10 «bewilligen». Das Bundesgericht hält fest: Eine «Bagatelländerung» kann «zur Folge haben, dass die Strahlung an anderen Orten als den berechneten zugenommen hat […]. Dies wiederum begründet regelmässig ein Interesse der Anwohnerschaft und der Öffentlichkeit an einer vorgängigen Kontrolle, ob die Bewilligungsvoraussetzungen erfüllt sind.» (BGE 1C_414/2022, Entscheid Sarnen)  So hat die Einführung von 5G nicht nur zur Abschaffung der «Bagatellverfahren» für 5G-Antennen geführt, sondern auch zur Aufhebung aller bisherigen «Bagatellbewilligungen» seit 2013.

Bagatell-«Bewilligungen» sind nichtig

Die Mobilfunkbetreiber rüsteten seit 2013 tausende Antennen ohne ordentliche Baubewilligung auf. In einem konkreten Fall verpflichtete das Bundesgericht im August 2024 die Swisscom, ein nachträgliches Baugesuch für eine Antenne mit «Bagatellbewilligung» einzureichen. Mit den neuen, breiter strahlenden Antennen könne es an zusätzlichen Orten zu hoher Strahlung kommen. Die Klärung der Frage, ob die Grenzwerte eingehalten sind, könne zudem nicht im Rahmen eines «Bagatellverfahrens» erfolgen und auch die Kontrolle durch den Kanton reiche nicht aus. Dabei verweist das Bundesgericht direkt auf die Bundesverfassung und das Gebot, das rechtliche Gehör zu gewährleisten.

Alle vermeintlichen «Bagatellbewilligungen» seit dem Jahr 2013 sind somit nichtig, tausende Mobilfunkanlagen senden illegal und ohne Kontrolle!

Unsere Forderung: Alle illegal betriebenen Antennen sind abzuschalten!

Die durch die Verfassung garantierten Rechte müssen auch von den Bauaufsichtsbehörden und den Mobilfunkbetreibern respektiert werden. Die Behörden sind verpflichtet, wie in jedem anderen Fall von rechtswidrigem Betrieb einer Anlage sofort durchzugreifen und müssen die Abschaltung der widerrechtlich betriebenen Antennen verlangen. Insbesondere sind die unbewilligten adaptiven 5G-Antennen unverzüglich abzuschalten, um die rechtmässige Ordnung wieder herzustellen und die grossen Missstände zu beseitigen. Das öffentliche Interesse an einem rechtskonformen Betrieb des Mobilfunknetzes – das haben die über zehntausend Einsprachen klar gezeigt – überwiegt einen allfälligen Bedarf an noch schneller gestreamten Videos. Denn es ist eine kleine Minderheit von weniger als 10 % der Nutzer, die rund 60 % der mobilen Daten konsumieren. Sie halten sich zu rund 80 % in Innenräumen auf – dort, wo ein strahlungsarmer Festnetzanschluss vorhanden ist.

Begriff-Erklärung

Warum sind die Begriffe «Bagatellbewilligung» und «Bagatellverfahren» in diesem Artikel in Anführungszeichen geschrieben?

Eine Bewilligung kann nur erteilt werden, wenn alle Betroffenen – wenn möglich vorgängig – das Vorhaben kontrollieren und allenfalls dagegen Einsprache oder Beschwerde erheben können. Somit ist die Bezeichnung «Bewilligung» fehl am Platz, wenn damit eine informelle Zustimmung von kantonalen Behörden bezeichnet wird, ohne dass die Betroffenen angehört worden sind.

Auch der Begriff «Verfahren» kann nicht für Abläufe bei den Behörden verwendet werden, wenn diese nicht gesetzlich verankert, sind bzw. gegen ein Bundes-Gesetz verstossen.

Die Begriffe «Bagatellbewilligung» und «Bagatellverfahren» sind keine zutreffende Beschreibung.

Quellen

Medienmitteilung: «Das Bundesgericht gibt uns Recht»

Zürich, 23. Dezember 2024 Der Kampf um korrekte Bewilligungsverfahren für 5G-Antennen geht in eine neue Runde. Sieger nach Punkten ist die Wohnbevölkerung. Nach dem neuesten, kürzlich veröffentlichten Bundesgerichtsentscheid «Winterthur» steht…

Medienmitteilung: «Das Bundesgericht gibt uns Recht»

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